Heileurythmist ist Freiberufler

| Steuern

Der Abschluss eines Integrierten Versorgungsvertrags nach §§ 140a ff. SGB V (sog. IV-Verträge) zwischen dem Berufsverband der Heileurythmisten und einer gesetzlichen Krankenkasse stellt ein ausreichendes Indiz für das Vorliegen einer dem Katalogberuf des Krankengymnasten/ Physiotherapeuten ähnlichen Ausbildung und Tätigkeit i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG dar.
Eine weitergehende Prüfung der Vergleichbarkeit der Ausbildung und Tätigkeit des Heileurythmisten mit der eines Krankengymnasten/Physiotherapeuten ist aufgrund der indiziellen Wirkung der Teilnahmeberechtigung an den Leistungen der sog. IV-Verträge nicht erforderlich.
Die Klägerin besitzt nach vierjähriger Ausbildung in der anthroposophischen Tanzkunst "Eurythmie“ das Diplom für Eurythmie des Instituts für Waldorfpädagogik. Im Jahr 2002 absolvierte sie eine Vollzeitausbildung zur Heileurythmistin an der Schule für Eurythmische Heilkunst.  Im Anschluss wurde ihr das Heileurythmie-Diplom von der Schule der Gesellschaft für Anthroposophische Heilkunst und Eurythmie e.V. und der Medizinischen Sektion der Freien Hochschule für Geisteswissenschaft verliehen.
Die Klägerin war Mitglied des Berufsverbandes Heileurythmie e.V. (Berufsverband). Nach der Satzung des Berufsverbands konnte nur Mitglied werden, wer ein Abschlusszeugnis für Eurythmie und Heileurythmie/Eurythmie Therapie und nach den Richtlinien des Berufsverbandes eine Berufsqualifikation erworben hatte. Als Ausbildung i.S. der Satzung galten ein abgeschlossenes Eurythmiestudium und eine vollständige Heileurythmieausbildung mit Abschlussdiplom der Medizinischen Sektion der Freien Hochschule für Geisteswissenschaft.
Auch eine Berufstätigkeit, die sich auf einzelne heilkundliche Verrichtungen beschränkt, ohne einer staatlichen Erlaubnis zu bedürfen, kann dem Katalogberuf eines Krankengymnasten/Physiotherapeuten ähnlich sein. In diesem Fall reicht es aus, wenn der Steuerpflichtige über die Erlaubnis seiner beruflichen Organisation verfügt, die Kenntnisse bescheinigt, die den Anforderungen einer staatlichen Prüfung für die Ausübung der Heilhilfsberufe vergleichbar sind. Hiermit ist sowohl dem Erfordernis einer vergleichbaren Ausbildung wie auch dem einer Erlaubnis Genüge getan. Es reicht in diesen Fällen aus, wenn die Berufsbezeichnung beispielsweise durch Wettbewerbs- oder Namensrecht geschützt ist. Dies trägt dem Umstand Rechnung, dass sich auch Heilhilfsberufe neu entwickeln, ohne dass sogleich eine staatliche Regelung geschaffen wird. Zudem gestalten sich die staatlichen Regelungen in einzelnen Bundesländern unterschiedlich, was unter dem Gesichtspunkt der Gleichmäßigkeit der Besteuerung bedenklich ist.
In Anbetracht dessen hat es der BFH als ausreichendes Indiz für das Vorliegen einer dem Krankengymnasten/Physiotherapeuten ähnlichen Tätigkeit i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG angesehen, wenn der Steuerpflichtige bzw. seine Berufsgruppe regelmäßig nach § 124 Abs. 2 SGB V durch die zuständigen Stellen der gesetzlichen Krankenkassen zugelassen ist. Dies folgt daraus, dass auch § 124 Abs. 2 SGB V dem Ziel dient, eine fachgerechte Berufsausübung zu gewährleisten. Die Zulassung durch die Krankenkasse gibt einen Anhaltspunkt für die Vergleichbarkeit, da sie sich auf die Erbringung von "Heilmitteln" als Dienstleistung bezieht. Fehlt es an einer solchen Zulassung, haben die Finanzämter und ggf. die Finanzgerichte festzustellen, ob die Ausbildung, die Erlaubnis und die Tätigkeit des Steuerpflichtigen mit den Erfordernissen des § 124 Abs. 2 SGB V vergleichbar sind.
BFH, Urteil vom 20.11.2018, VIII R 26/15