Die steuerliche optimierte Praxisveräußerung und nachlaufende Tätigkeiten

| Steuern

Im Fall der Praxisveräußerung oder – aufgabe gewährt die Finanzverwaltung Steuervorteile in Form eines ermäßigten Einkommensteuersatzes (56% des persönlichen durchschnittlichen Steuersatzes) und einen Freibetrag bis zu 45.000 €, wenn der ...

Im Fall der Praxisveräußerung oder – Aufgabe gewährt die Finanzverwaltung Steuervorteile in Form eines ermäßigten Einkommensteuersatzes (56% des persönlichen durchschnittlichen Steuersatzes) und einen Freibetrag bis zu 45.000 €, wenn der Verkäufer / Aufgebende dass 55. Lebensjahr vollendet hat oder dauernd berufsunfähig im sozialversicherungsrechtlichen Sinne ist. Weitere Voraussetzung ist, dass die Praxis vollständig bzw. der Anteil an der Berufsausübungsgemeinschaft vollständig abgegeben wird.  

Die Tatsache, ob der Verkäufer diese Steuervorteile auch behält, beurteilt die Finanzverwaltung in der Regel im Nachhinein. Hierbei wird geprüft, ob die Praxis auch definitiv auf den Erwerber übergegangen ist.  Wann eine "definitive" Übertragung der wesentlichen Betriebsgrundlagen vorliegt, hängt jeweils von den Umständen des Einzelfalls ab. Neben der Dauer der Einstellung der freiberuflichen Tätigkeit sind insbesondere die räumliche Entfernung einer wieder aufgenommenen Berufstätigkeit zur veräußerten Praxis, die Vergleichbarkeit der Betätigungen, die Art und Struktur der Patienten sowie die Nutzungsdauer des erworbenen Praxiswerts zu berücksichtigen. Eine starre zeitliche Grenze, nach der die Tätigkeit steuerunschädlich wieder aufgenommen werden kann, besteht nicht. Dementsprechend ist auch keine "Wartezeit" von mindestens drei Jahren einzuhalten. Je nach den Umständen des Einzelfalls kann ein Zeitraum von etwa zwei bis drei Jahren ausreichend sein. 

Grundsätzlich unschädlich ist es, wenn der Veräußerer als Arbeitnehmer oder als Vertreter im Auftrag und für Rechnung des Erwerbers tätig wird, denn der Erwerber ist trotzdem zivilrechtlich und wirtschaftlich in der Lage, die Beziehungen zu den früheren Patienten des Veräußerers zu verwerten. Auch eine geringfügige Fortführung der bisherigen freiberuflichen Tätigkeit steht der Annahme einer begünstigten Praxisveräußerung nicht entgegen. Eine solche geringfügige Tätigkeit liegt regelmäßig vor, wenn die auf sie entfallenden Umsätze in den letzten drei Jahren vor der Veräußerung weniger als 10 % der gesamten Einnahmen ausmachten. 

Dies kann er tun, indem er (einzelne) Patienten auf eigene Rechnung weiter betreut, aber auch dadurch, dass er die Beziehung zur früheren Patientenschaft nutzt, um neue Patienten zu gewinnen. In beiden Fällen nutzen sowohl Veräußerer als auch Erwerber das (bisherige) durch Patienten und Praxisnamen bedingte Wirkungsfeld für ihre freiberufliche Tätigkeit, zu der neben der Patientenbetreuung auch die Gewinnung neuer Patienten zählt. Eine solche fortdauernde bzw. neuerliche Nutzung ehemaliger Patientenbeziehungen steht der Annahme einer begünstigten Praxisveräußerung allerdings nur dann entgegen, wenn sie die Geringfügigkeitsgrenze überschreitet. Eine geringfügige Tätigkeit des Veräußerers im bisherigen örtlichen Wirkungskreis schließt die Annahme einer begünstigten Praxisveräußerung hingegen nicht aus, auch wenn sie - wie im Streitfall - die Betreuung neuer Patienten umfasst. 

BFH, Urteil vom 21.08.2018, Az.: VIII R 2/15; BFH, Beschluss vom 11.02.2020, Az.: VIII B 131/19 

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