EuGH zur Umsdatzsteuerbefreiung eines Laborarztes

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Im Jahre 2017 hat der BFH den EuGH um Klärung der Frage gebeten, ob die Leistungen eines Labo-rarztes bzw. eines Facharztes für klinische Chemie, der medizinische Analysen...

Im Jahre 2017 hat der BFH den EuGH um Klärung der Frage gebeten, ob die Leistungen eines Laborarztes bzw. eines Facharztes für klinische Chemie, der medizinische Analysen im Bereich der Humanmedizin durchführt, von der Umsatzsteuer befreit sind, obwohl kein Vertrauensverhältnis zwischen dem Arzt und dem Patienten vorliegt, der Arzt die Patienten also gar nicht kennt. Der EUGH hat die Frage nun zugunsten des Arztes entschieden: EU-rechtlich gilt die Befreiung von der Mehrwertsteuer auch dann, wenn die betreffende Heilbehandlungsleistung nicht im Rahmen eines Vertrauensverhältnisses zwischen dem Patienten und dem Behandelnden erbracht wird.

Der Fall: Herr Peters ist Facharzt für klinische Chemie und Laboratoriumsdiagnostik. In den Steuerjahren 2009 bis 2012 erbrachte er Heilbehandlungsleistungen für die LADR Medizinisches Versorgungszentrum Wittstock GmbH, ein Laborunternehmen, das Labor-leistungen an niedergelassene Ärzte, Rehakliniken, Gesundheitsämter und Krankenhäuser erbrachte. Er erhielt von dieser Gesellschaft eine monatliche Vergütung von 6.000 Euro für diese Leistungen, die insbesondere Befunderhebungen mit dem Ziel konkreter laborärztlicher Diagnosen sowie ärztliche Hilfestellungen bei transfusionsmedizinischen Maßnahmen für konkrete Behandlungsverhältnisse umfassten. Herr Peters gab für die be-treffenden Steuerjahre keine Umsatzsteuererklärungen ab, da er davon ausging, dass die genannten Leistungen nach § 4 Nr. 14 Buchst. a Satz 1 UStG steuerfrei seien. Das Finanzamt behandelte diese Leistungen dagegen als steuerpflichtig, was es damit begründete, dass die in § 4 Nr. 14 Buchst. a Satz 1 UStG vorgesehene Steuerbefreiung ein Vertrauensverhältnis zwischen dem Arzt und der behandelten Person voraussetze. Diese Voraussetzung sei bei Leistungen von klinischen Chemikern und Laborärzten nicht gege-ben. Es schätzte daher für die betreffenden Steuerjahre die Umsatzsteuer auf Basis der von Herrn Peters erhaltenen Nettohonorare.

Das FG hat der hiergegen gerichteten Klage stattgegeben; der BFH hingegen hat das Verfahren ausgesetzt und den EuGH angerufen. Dieser wiederum hat entschieden, dass eine Steuerbefreiung auch ohne Vertrauensverhältnis in Betracht kommt. Aus dem Wort-laut von Art. 132 Abs. 1 Buchst. c der MwStSystRL ergäbe sich in keiner Weise, dass diese Bestimmung die Befreiung der Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin daran knüpft, dass sie im Rahmen eines Vertrauensverhältnisses zwischen der behandeln- den und der behandelten Person erbracht werden. Die Hinzufügung einer solchen Voraussetzung sei auch in Ansehung des mit dieser Bestimmung verfolgten Zwecks, die Kosten von Heilbehandlungen zu senken und diese für den Einzelnen leichter zugänglich zu machen, nicht gerechtfertigt.

Der EUGH hat noch zu einer zweiten Frage Stellung genommen. Der XI. Senat des BFH wollte nämlich wissen, ob medizinische Analysen, die von einem in privatrechtlicher Form organisierten Labor "außerhalb der Praxisräume" des sie anordnenden praktischen Arztes durchgeführt werden, nur nach § 4 Nr. 14 Buchst. b UStG (bzw. Art. 132 Abs. 1 Buchst. b MwStSystRL), nicht aber auch nach § 4 Nr. 14 Buchst. a UStG (bzw. Art. 132 Abs. 1 Buchst. c MwStSystRL) steuerfrei sind. Hintergrund ist eine Entscheidung des V. Senats vom 24.8.2017. Danach können entsprechende medizinische Analysen (nur) nach § 4 Nr. 14 Buchst. b UStG steuerfrei sein. Eine Steuerfreiheit nach § 4 Nr. 14 Buchst. a UStG wurde im Streitjahr 2009 indes abgelehnt und die Sache an die Vorinstanz zurückverwiesen.

Der EuGH nimmt – etwas verklausuliert – wie folgt Stellung: Art. 132 Abs. 1 Buchst. b und c der MwStSystRL sind dahin auszulegen, dass Heilbehandlungsleistungen wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden, die von einem Facharzt für klinische Chemie und Laboratoriumsdiagnostik erbracht werden, unter die in Art. 132 Abs. 1 Buchst. c dieser Richtlinie vorgesehene Befreiung von der Mehrwertsteuer fallen können, wenn sie nicht alle Tatbestandsvoraussetzungen der Befreiung nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie erfüllen.

Etwas deutlicher ist diesbezüglich die Aussage des EuGH in Rz. 29 seiner Entscheidung: Der Gerichtshof hat im Übrigen in Bezug auf von praktischen Ärzten angeordnete medizinische Analysen klargestellt, dass der Grundsatz der steuerlichen Neutralität nicht gewahrt wäre, wenn für solche Leistungen je nachdem, an welchem Ort sie durchgeführt werden, eine andere Mehrwertsteuerregelung gelten würde, obwohl ihre Qualität angesichts der Ausbildung der betreffenden Dienstleistungserbringer gleichwertig ist.

Praxishinweise

Es bleibt nun abzuwarten, wie die Sache vom BFH entschieden wird und wie die Finanzverwaltung darauf reagiert. Bis dahin sollten entsprechende Fälle unbedingt offengehalten werden. Allerdings wird es spätestens nach einer Äußerung des BMF auch um zivilrechtliche Fragen gehen. Das heißt: Sofern Laborärzte – entsprechend der bisherigen Linie der deutschen Finanzverwaltung – Umsatzsteuer ausgewiesen haben, werden sie aller Voraussicht nach gehalten sein, ihre Rechnungen zu korrigieren. Doch selbst wenn sie keine Umsatzsteuer offen ausgewiesen haben, die Umsatzsteuer jedoch kalkulatorisch im Honorar enthalten ist oder es sich um Bruttopreisabreden handelt, werden sie ihre Rechnungen möglicherweise korrigieren müssen. Von Bedeutung sind insoweit zwei Urteile des BSG und des BGH. Zunächst zum Urteil des BSG:

Dieses nimmt zwar nur selten zu Fragen des Umsatzsteuerrechts Stellung. Anfang 2019 hat es sich jedoch mit der Frage befasst, ob Krankenkassen einen Anspruch auf Rückzahlung von Umsatzsteuern gegenüber Krankenhäusern haben, wenn sich eine – zunächst steuerpflichtige – Leistung als steuerfrei erweist und die Krankenhäuser ihre Voranmeldungen hätten berichtigen können. Es ging also darum, ob ein “Kunde” (hier: die Krankenkassen) bei Änderung der Rechtslage (umsatzsteuerfrei statt umsatzsteuerpflichtig) die Umsatzsteuer vom Leistenden zurückfordern darf. Antwort: Ja, ein solcher Anspruch besteht. Besonders misslich: Ein solcher Anspruch besteht auch dann, wenn es der Leistende (hier: das Krankenhaus) versäumt hat, seine Umsatzteuer-Voranmeldungen zu ändern. In dem zugrundeliegenden Sachverhalt hatte es das Krankenhaus versäumt, seine Umsatzteuer-Voranmeldungen zu ändern, obwohl der BFH mit Urteil vom 24.9.201413 entschieden hatte, dass die Verabreichung von Zytostatika im Rahmen einer ambulant in einem Krankenhaus durchgeführten ärztlichen Heilbehandlung steuerfrei ist, wenn die Zytostatika individuell für den einzelnen Patienten in einer Apotheke dieses Krankenhauses hergestellt werden. Die Finanzverwaltung hat das Urteil mit einer Änderung des Abschnitt 4.14.6 UStAE am 20.10.2016 akzeptiert.

Noch interessanter ist in diesem Zusammenhang die Entscheidung des BGH zum – fast – identischen Sachverhalt. Krankenhäuser und Krankenkassen hatten eine Bruttopreisabrede bezüglich der Verabreichung von Zytostatika getroffen. Diese – zunächst umsatzsteuerpflichtigen – Leistungen waren später (rückwirkend) umsatzsteuerfrei. Dies ergab sich aus dem erwähnten BFH-Urteil vom 24.9.2014. Nun forderte also die Krankenkasse (=Kunde) ihren “Umsatzsteueranteil” zurück, weil das Krankenhaus seine Umsatzsteuer-Voranmeldungen bzw. -erklärungen schließlich habe ändern können. Letzteres berief sich indes auf die Bruttopreisabrede. Doch der BGH gab der Krankenkasse Recht: Vereinbarungen über Bruttopreise sind im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung im wirtschaftlichen Ergebnis letztlich doch als Nettopreisabreden zu werten, wenn sich die umsatzsteuerliche Behandlung (steuerfrei statt steuerpflichtig) im Nachhinein ändert – so in etwa der BGH. Für Laborärzte bedeutet dies, dass diese alle Möglichkeiten offenhalten sollten, um ihre eventuell bereits an das Finanzamt entrichtete Umsatzsteuer zurückzufordern. Anderenfalls besteht die Gefahr, dass sie Umsatzsteuer an die Leistungsempfänger selbst dann zurückzahlen müssen, wenn sie ihrerseits die Steuerfestsetzungen nicht mehr ändern können.

EuGH, Urteil vom 18.09.2019, Az.: Rs. C-700/17 „Peters“

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