Richtet sich die Einkünftequalifizierung (auch) nach Vertragsarzt-/ Berufsrecht?

| Steuern

Ein Gynäkologe mit zytologischem Labor ist nicht eigenverantwortlich i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG tätig, wenn er nach dem betrieblichen Arbeitsablauf solche Untersuchungsaufträge und deren Ergebnisse weder zur Kenntnis nimmt noch auf Plausibilität hin überprüft, die nach einem Vorscreening der fachlich vorgebildeten Mitarbeiter zu einem unauffälligen Befund führen.
Der Kläger wirft sinngemäß als Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung auf, ob die Inaugenschein-nahme aller Untersuchungsaufträge bzw. der verwertbaren Ausstrichpräparate durch den Betriebsinhaber für die Beurteilung der Eigenverantwortlichkeit i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG bei einer zytologi-schen und zervix-zytologischen Tätigkeit vor dem Hintergrund der die berufliche Tätigkeit prägenden Rechtsvorschriften (insbesondere der Vereinbarung von Qualitätssicherungsmaßnahmen nach § 135 Abs. 2 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch zur zytologischen Untersuchung von Abstrichen der Cervix uteri - Qualitätssicherungsvereinbarung Zervix-Zytologie - ) verlangt werden könne. Nach Maßgabe des Grund-satzes der Einheitlichkeit der Rechtsordnung müsse das Berufsrecht, insbesondere § 6 Abs. 1 Sätze 2 und 3 der Qualitätssicherungsvereinbarung Zervix-Zytologie, Eingang in die Kriterien zur Bestimmung einer ei-genverantwortlichen Tätigkeit i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG finden.
Der BFH lehnte diese Rechtsauffassung mit der Begründung ab, dass auch unter Berücksichtigung der wesensmäßigen Verschiedenheit zwischen der Tätigkeit des Laborarztes und der Tätigkeit „behandelnder” Ärzte sich aus der Rechtsprechung des Senats im BFH-Urteil in BFHE 247, 195, BStBl. II 2015, 216 nicht ableiten lässt, dass - abweichend von den bisherigen Grundsätzen - eine eigenverantwortliche Tätigkeit des Laborarztes gegeben sein kann, wenn er nach Ausgestaltung der betrieblichen Abläufe bestimmte Standarduntersuchungen mit unauffälligem Befund vollständig auf fachlich vorgebildetes Personal dele-giert und sich nur noch mit Zweifelsfällen befasst. Es gilt nämlich auch nach der Senatsentscheidung (BFHE 247, 195, BStBl. II 2015, S. 216) weiterhin, dass eine patientenbezogene Mitarbeit des Betriebsin-habers bei allen Patienten stattfinden muss, sei es durch die eigene Behandlung oder in den sog. „Routine-fällen” mittels einer Durchführung von Voruntersuchungen und Festlegung der Behandlungsmethoden im Vorfeld der ärztlichen Leistungserbringung. Eine Volldelegation der Behandlung einzelner Patienten an angestellte Ärzte hat der Senat gerade nicht als eigenverantwortliche Tätigkeit anerkannt.
Auf die persönliche Mitarbeit am einzelnen Untersuchungsauftrag kann auch im Hinblick auf die fortschrei-tende Technisierung nicht verzichtet werden. Zumindest muss eine Mitarbeit an jedem einzelnen Auftrag durch dessen geistige Erfassung (Kenntnisnahme) und die abschließende Auswertung des Befundes er-folgen (s. zum Ganzen BFH-Urteile in BFHE 159, 535, BStBl. II 1990, 507, Rz 25, und in BFHE 177, 377, BStBl. II 1995, 732).
BFH, Beschluss vom 12.06.2018, VIII B 154/17

 

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