Gewerbliche Infizierung einer freiberuflichen Personengesellschaft

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Werden in einer (zahn-)ärztlichen Personengesellschaft Organisation-, Verwaltungs- und Management-Aufgaben derart auf einen der Mitunternehmer konzentriert, dass dieser nahezu keinerlei (zahn-)ärztlichen Beratungs- ...

Werden in einer (zahn-)ärztlichen Personengesellschaft Organisation-, Verwaltungs- und Management-Aufgaben derart auf einen der Mitunternehmer konzentriert, dass dieser nahezu keinerlei (zahn-)ärztlichen Beratungs- oder Behandlungsleistungen mehr unmittelbar an Patienten erbringt, so erfüllt dies nicht mehr die Anforderungen der selbständig ausgeübten Tätigkeit als (Zahn-)Arzt und infiziert die Einkünfte der gesamten Personengesellschaft als gewerblich. 

Im Streitjahr beschäftigte die aus sieben Partnern bestehende Personengesellschaft fünf weitere (Zahn-)Ärzte. Ein Gesellschafter(zahn)arzt trug mit einen Umsatz in Höhe von 0,028% bezogen auf den Gesamtumsatz bei. 

Eine Tätigkeitsbeschreibung ergab, dass dieser Gesellschafter seit der Gründung der Praxis "immer" sein Aufgabenbereich gewesen sei, "alle Dinge für die Praxis zu erledigen, die außerhalb der eigentlichen Patientenbehandlung zum Betrieb einer Praxis gehören. Dazu gehören unter anderem alle vertraglichen Angelegenheiten, die Vertretung gegenüber der Bezirksärztekammer, Kassen(zahn)ärztlichen Vereinigung, Gesundheitsamt, Röntgenstelle, Bauamt, Datenschutzbeauftragten, Gerichten, Lieferanten, Banken, Steuerberatung, Finanzamt, die interne Revision, die Instandhaltung sämtlicher (zahn)ärztlicher Gerätschaften und Einrichtungsgegenstände, Erweiterung und Umbaumaßnahmen, Personalangelegenheiten, u.ä. Dinge." Hierfür sei er regelmäßig dienstags (Reparaturtag) und unregelmäßig an verschiedenen anderen Tagen in der Praxis vor Ort.  

Des Weiteren wurde vorgetragen, dass aufgrund der Größe der Praxis, der Anzahl der angestellten Zahnärzte und der Gesellschafter eine konsequente und auch für freiberufliche Gesellschaften typische Aufteilung der Arbeitsprozesse erfolgt sei. "Basierend auf der Seniorität" sei er "nicht mehr direkt behandelnd" tätig. Seine Hauptaufgabe liege in der Führung der Gesellschaft, insbesondere indem er die Gesellschaft nach außen vertrete, "konsiliarisch für die Mitgesellschafter und die angestellten Ärzte tätig" und "in unterschiedlichen internen Arbeitsprozessen eingebunden" sei. Diese Arbeiten erledige er höchstpersönlich. Dies stelle einen ausreichenden Arbeitsbeitrag an der Erstellung der freiberuflichen Leistung dar, auch wenn er nicht mehr direkt in die Patientenbehandlung eingebunden sei. Die persönliche Teilhabe an der praktischen Arbeit der angestellten Ärzte sei nicht notwendig gewesen, da diese durch die anderen Gesellschafter übernommen worden sei.  

Das Finanzgericht lehnte die vertretene Rechtsauffassung ab, Der Berufsträger muss zudem aufgrund eigener Fachkenntnisse "leitend" und "eigenverantwortlich" tätig werden, denn eine "leitende" Tätigkeit liegt nur vor, wenn der Berufsträger die Grundzüge für die Organisation des Tätigkeitsbereichs und für die Durchführung der Tätigkeiten festlegt, deren Ausführung überwacht und zudem grundsätzliche Fragen selbst entscheidet.  

Eine eigenverantwortliche Tätigkeit aufgrund eigener Fachkenntnisse liegt vor, wenn der Berufsträger seine Arbeitskraft in einer Weise einsetzt, die ihm tatsächlich ermöglicht, uneingeschränkt die fachliche Verantwortung auch für die von seinen Mitarbeitern erbrachten Leistungen zu übernehmen. Dies setzt voraus, dass die persönliche Teilnahme des Berufsträgers an der praktischen Arbeit in ausreichendem Umfang gewährleistet ist. Die Eigenverantwortlichkeit erschöpft sich nicht darin, nach außen die Verantwortung für die ordnungs-gemäße Durchführung des einzelnen Auftrags zu tragen. Die Ausführung jedes einzelnen Auftrags muss vielmehr dem Berufsträger selbst und nicht seinen qualifizierten Mit-arbeitern zuzurechnen sein; es genügt daher nicht eine gelegentliche fachliche Überprüfung der Mitarbeiter. Die Tatbestandsmerkmale "leitend" und "eigenverantwortlich" stehen selbständig nebeneinander. Auch eine besonders intensive leitende Tätigkeit, zu der unter anderem die Organisation des Sach- und Personalbereichs, Arbeitsplanung, Arbeitsverteilung, Aufsicht über Mitarbeiter und deren Anleitung und die stichprobenweise Überprüfung der Ergebnisse gehören, vermag daher die eigenverantwortliche Tätigkeit nicht zu ersetzen. 

Die leitende und eigenverantwortliche Tätigkeit wird im Bereich der Heil- und Heilhilfsberufe anhand einer patientenbezogenen Betrachtungsweise konkretisiert.  Für einen Arzt bedeutet dies, dass er eine höchstpersönliche, individuelle Arbeitsleistung am Patienten schuldet und deshalb einen wesentlichen Teil der ärztlichen Leistungen selbst erbringen muss. Die gemäß § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG erforderliche eigenverantwortliche Tätigkeit des Betriebsinhabers und Berufsträgers als selbständiger Arzt durch Mitwirkung an der Behandlung der Patienten ist nur gegeben, wenn der Berufsträger in sog. "Routinefällen" die jeweils anstehen-den Voruntersuchungen bei den Patienten durchführt, die Behandlungsmethode festlegt und sich die Behandlung "problematischer Fälle" vorbehält, auch wenn er die Erbringung der eigentlichen ärztlichen Behandlungsleistung an angestellte Ärzte delegiert. 

Beratungshinweis: Auch wenn auf Gesellschafterebene eine Konzentration bestimmter Tätigkeit auf Grund bestimmter Fähigkeiten vorgenommen wird, ist dringend darauf zu achten, dass jeder Gesellschafter(zahn.)arzt einer Personengesellschaft sowohl leitend (organisatorisch / administrativ) als auch eigenverantwortlich ((zahn-)ärztlich) in ausreichendem Maße tätig wird.  

Finanzgericht Rheinland-Pfalz, Urteil vom 16.09.2021, 4 K 1270/19 

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